Im Jahre 1775
wurde Goethe zum wohlhabenden Bankiersfamilie in Frankfurt vorgestellt und traf
Lili zu einem Klavierabend. Zwischen der 16-jährige Tochter des Hauses und dem
inzwischen Autor von "Werther" entwickelt eine Affäre, nach Verlobung
am Ostern. Doch das Leben in der oberen Gesellschaft stürzte Goethe in
Zweifel und brach die Verlobung im Herbst ohne Lili. Mangel an Entschlossenheit
und die quälende Gefühl, ein Bindungsversagen führte ihn zu seiner Flucht zu
wiederholen. Lilis Einfluss auf
Goethes Gedichte ist "bei Lili" ,"bei Belinden", "auf dem See"
und "Neue Liebe, Neues Leben". Lili heiratete Bernhard Friedrich von
Turckheim im Jahre 1778. Goethe sah sie nur einmal während seiner zweiten Reise
in die Schweiz im September 1779. Jahrzehnte später, die er in "Dichtung
und Wahrheit" schrieb: "Ich wäre stolz gewesen, es der ganzen Wekt zu sagen, wie sehr ich sie geliebt; und ich glaube, sie wäre nicht errötet, zu gestehen, daß meine Neigung erwidert wurde... und es ist mir, als fühlte ich wieder den Hauch ihrer beglückenden Nähe. Sie war in der Tat die erste, die ich tief und wahrhaft liebte. Auch kan ich sagen, daß sie die letzte gewen; denn alle kleinen Neigungen, die mich in der Folge meines Lebens berührten, waren, mit jener verglichen, nur leicht und oberflächlich".
AN LILI
Im holden Tal, auf schneebedeckten Höhen War stets dein Bild mir nah: Ich sahs um mich in lichten Wolken wehen, Im Herzen war mirs da. Empfinde hier, wie mit allmächtgem Triebe Ein Herz das andre zieht - Und daß vergebens Liebe Vor Liebe flieht. HERBSTGEFÜHL (1775) Fetter grüne, du Laub, Am Rebengeländer Hier mein Fenster herauf! Gedrängter quellet, Zwillingsbeeren, und reifet Schneller und glänzend voller! Euch brütet der Mutter Sonne Scheideblick, euch umsäuselt Des holden Himmels Fruchtende Fülle; Euch kühlet des Mondes Freundlicher Zauberhauch, Und euch betauen, ach! Aus diesen Augen Der ewig belebenden Liebe Vollschwellende Tränen. |
WONNE DER WEHMUT (1775)
Trocknet nicht, trocknet nicht, Tränen der ewigen Liebe! Ach, nur dem halbgetrockneten Auge Wie öde, wie tot die Welt ihm erscheint! Trocknet nicht, trocknet nicht, Tränen unglücklicher Liebe! AUF DEM SEE (1775) Und frische Nahrung, neues Blut Sang ich aus freier Welt; Wie ist Natur so hold und gut, Die mich am Busen hält! Die Welle wieget unsern Kahn Im Rudertakt hinauf, Und Berge, wolkig himmelan, Begegnen unserm Lauf. ------- Aug, mein Aug, was sinkst du nieder? Goldene Träume, kommt ihr wieder? Weg, du Traum! so gold du bist; Hier auch Lieb und Leben ist. ------- Auf der Welle blinken Tausend schwebende Sterne, Weiche Nebel trinken Rings die türmende Ferne; Morgenwind umflügelt Die beschattete Bucht, Und im See bespiegelt Sich die rei fende Frucht. |
An Lili Schönemann, 1775
Wenn sie sich, meine Liebe, einen Goethe vorstellen können, der im galonierten Rock, sonst von Kopf zu Fusse auch in leidlich konsistenter Galanterie, umleuchtet vom unbedeutenden Prachtglanze der Wandleuchter und Kronenleuchter, mitten unter allerlei Leuten, von ein Paar schönen Augen am Spieltische gehalten wird, der in abwechselnder Zerstreung aus der Gesellschaft ins Konzert, und von da auf den Ball getrieben wird, und mit allem Interesse des Leichtsinns, einer niedlichen Blondine den Hof macht; so haben Sie den gegenwärtigen Fastnachts Goethe, der Ihnen neulich einige dumpfe tiefe Gefühle vorstolperte. Aber nun gibts noch einen, den im grauen Biberfrack mit dem braunseidnen Halstuch und Stiefeln, der in der streichenden Februarluft schon den Frühling ahndet, dem nun bald seine liebe weite Welt wieder geöffnet wird, der immer in sich lebend, strebend und arbeitend, bald die unschuldigen Gefühle der Jugend in kleinen Gedichten, das kräftige Gewürze des Lebens in mancherlei Dramas, die Gestalten seiner Freunde und seiner Gegenden und seines geliebten Hausrats mit Kreide auf grauem Papier nach seinem Masse auszudrücken sucht, weder rechts noch links fragt: was von dem gehalten werde, was er machte? Weil er arbeitend immer gleich eine Stufe höher steigt, weil er nach keine Ideale springen, sondern seine Gefühle sich zu Fähigkeiten, kämpfend und spielend, entwickeln lassen will. Das ist der, dem Sie nicht aus dem Sinne kommen, der auf einmal am frühen Morgen einen Beruf fühlt, Ihnen zu schreiben, dessen grösste Glückseligkeit ist, mit den besten Menschen seiner Zeit Zu leben. An Lili Schönemann, Weimar 14, Dezember 1807 Zum Schluss erlauben Sie mir zu sagen: daß es mir unendlich Freude machte, nach so langer Zeit, einige Zeilen wieder von Ihrem lieben Hand zu sehen, die ich tausendmal küsse in Erinnerung jener Tage, dich ich unter die glücklichsten meines Lebens zähle. Leben Sie wohl und ruhig nach so vielen äußern Leiden und Prüfungen, die zu uns später gelangt sind und bei denen ich oft Ursache habe an Ihre Standhaftigkeit und ausdauernde Grossheit zu denken. Nochmanls ein Leberwohl mit der Bitte meiner zu gedenken. Ihr ewig Verbundener. Goethe |